Brückenpfeiler Adenbachhut, Ahrweiler

Erinnerung an eine unvollendete Bahnlinie im Ahrtal

von Josef Müller

Immer wieder fragen auswärtige Gäste, die hier ihren Urlaub verbringen oder sich an einer Führung durch das alte Stadtgebiet Ahrweiler beteiligen, nach dem Sinn, dem Zweck und der Entstehung der mächtigen Pfeiler, die im Adenbachtal nördlich des Stadtkerns der mittelalterlichen ehemaligen Stadt Ahrweiler zum Himmel ragen. Selbst die jüngeren Ahrweiler Bürger wissen so gut wie nichts mehr von ihrer Entstehung. Im Jahre 1910 lag im deutschen Generalstab der »Schlieffenplan« vor. Generalstabschef Schlieffen wollte im Falle eines Krieges mit Frankreich einen Blitzkrieg im Westen des Reiches führen. Dieser konnte nur durch die neutralen Staaten Belgien und Luxemburg geführt werden. Deshalb wurde die Ahrtalbahn zweigleisig ausgebaut. Während in Ahrweiler bis dahin die eingleisige Bahn am Ahrtor vorbei führte, wurde die neue zweigleisige Ahrtalbahn nördlich der Stadt gelegt. Von Dümpelfeld aus wurde die Ahrtalbahn auch nach Westen weiter ausgebaut. Mit drei Armen erreichte die neue Bahn die Hauptstrecke Köln-Trier in den drei Schnittpunkten Blankenheim-Wald, Jünkerath und Gerolstein. Damit war die Ahrtalbahn strategisch gesehen nicht mehr eine bedeutungslose »Stich- oder Sackbahn«. Desweiteren suchte man die von Remagen ausgehende Ahrtalbahn mit einer zweiten Zufuhrbahn zu erreichen. Man baute also die neue, strategisch sehr wichtige Eisenbahnlinie Liblar-Rheinbach-Ahrtal.

Sie sollte aber angeblich zunächst nicht strategischen, sondern wirtschaftlichen Interessen dienen. Man wollte nämlich zur Entlastung der Rheinstrecke auf einem kürzeren und schnelleren Wege die Ruhrkohle mit der »Minette«, den Eisenerzen Lothringens, verbinden. Diese neue Eisenbahnlinie sollte von Rheinbach nach Bad Neuenahr führen. Gegen die Linienführung dieser »Wirtschaftsbahn« erhoben damals die Engländer Einspruch. Sie begründeten ihn damit, daß der Apollinarisbrunnen, der sich in englischem Besitz befand, durch die Erdbewegungen gefährdet sei. Nun wurde die Linienführung Ringen-Mayschoß geplant und in den Jahren 1910 -1914 auch ausgebaut. Dabei mußte das Adenbachtal überbrückt werden. Das war für die damaligen Verhältnisse eine ungeheure Arbeit, die viel Geld, Zeit, Material und Arbeitskräfte erforderte. Die mächtigen Pfeiler der künftigen Brücke ragten auf starken Fundamenten gen Himmel empor, als der erste Weltkrieg ausbrach. Die sonst fertige Bahn Liblar-Mayschoß konnte ihre strategische Aufgabe noch nicht erfüllen, da die Adenbachbrücke nicht fertiggestellt war. Mit dem Bau der Eisenbahnbrücke über den Rhein bei Remagen (Ludendorffbrücke) konnte zwar rechtsrheinisches Gebiet unmittelbar mit der Ahrstrecke verbunden werden, was für die Bedeutung der Ahrtalbahn sehr wichtig war. Nach dem ersten Weltkrieg wurde mit dem Friedensvertrag von Versailles der zweigleisige Ausbau der Strecke Liblar-Mayschoß verboten, jedoch wurde der eingleisige Ausbau erlaubt. Tatsächlich erfolgte dann der Ausbau in den Jahren 1920 -1924. Auch an der Adenbachbrücke wurde weitergearbeitet. Da aber jetzt die Pfeiler nur eine eingleisige Betonbrücke tragen sollten, wurde der Querschnitt der Pfeiler im 2. Bauabschnitt auf die Hälfte des Querschnitts der Grundpfeiler verkürzt, was man auch heute von der Höhe, wo sich der alte Bahndamm befindet, noch sehr gut sehen kann.

Es gab in der Folgezeit nun verschiedene Gründe, die gegen einen Weiterbau der eingleisigen Strecke Liblar-Mayschoß sprachen: Gemäß dem Friedensvertrag von Versailles kam Elsaß-Lothringen wieder zu Frankreich. Die »Minette« wurde vom Ruhrgebiet losgelöst. Heute hat die Moselkanalisation die Verbindung der beiden Wirtschaftsgebiete übernommen.

Der Ingenieur Georg Knorr (1859 -1911) hatte die sogenannte »Knorr-Bremse« konstruiert. Das ist eine Luftdruckbremse für Eisenbahnwagen, die von der Lokomotive aus betätigt wird. Diese wurde bei der Deutschen Reichsbahn eingeführt, und dadurch stieg die Leistung der Bahn im Güterverkehr fast um das Doppelte. So können die Güterzüge heute im Eilzugtempo durch die Bahnhöfe fahren. Zusammengefaßt läßt sich also feststellen, daß die Bahnlinie Liblar-Mayschoß wirtschaftlich heute ohne Bedeutung wäre. Inzwischen ist der Auto- und Lastwagenverkehr so angewachsen, daß die wirtschaftliche Notwendigkeit einer Bahnlinie Liblar-Mayschoß nicht mehr gegeben ist. Die weitaus überwiegende Zahl der Ahrtalbesucher kommt mit Autos oder Bussen hierher, und die Lastwagen bringen fast den gesamten Warenbedarf bis unmittelbar vor die Ladentüre.

Die im Volksmunde gerne genannte »strategische Bedeutung« ist auch nicht mehr gegeben, seit die Aussöhnung zwischen Frankreich und der Bundesrepublik Deutschland und ihre Anbindung in einem Bündnis sie überflüssig gemacht haben.

Quelle:

Klaus Kemp »Die Ahrtalbahnen«, Freiburg 1983.

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